Ein Emu mit sehr langen Flügeln baute sich einst im Himmel sein Haus. Eines Tages schaute er über dem Rand der Wolken und sah auf der Erde eine Unzahl Vögel, die an einer mit Schilf bewachsenen Lagune tanzten. Im Wipfel eines Gum Tree machten die Glockenvögel mit ihren silbrigen Glockenspielen eine zärtliche Musik dazu. Der Kookaburra hockte auf dem Ast eines toten Baums und lachte still vergnügt in sich rein, während der Brolga, sein heimatlicher Nachbar, würdevoll auf dem Gras in der Nähe tanzte.
Der Emu war sehr interessiert an dem Tanz. Also flog er von seinem Haus über den Wolken hinunter und fragte die Vögel, ob sie ihn im Tanzen unterrichten würden. Ein schlauer Brolga antwortete „Wir sind sehr erfreut, Dich zu unterrichten. Doch mit Deinen langen Flügeln wird es Dir nicht gelingen, unsere Tänze zu lernen. Wenn Du willst könnten wir sie für Dich stutzen.“ Der Emu dachte überhaupt nicht daran, dass er mit kurzen Flügeln nie wieder zu seinem Haus im Himmel gelangen könnte. Seine Eitelkeit war so groß, dass er sich seine Flügel wirklich stutzen ließ.
Als dies getan war breiteten die Brolgas plötzlich ihre langen Flügel, die sie vorher verborgen hatten, aus und flogen davon. Einsam blieb der Emu, nun zwar klüger als vorher, zurück. Aber er konnte nie wieder zu seinem Haus im Himmel fliegen, denn die Flügel würden nicht nachwachsen. Sie blieben kurz und sind seitdem unbrauchbar. Dies ist der Grund, warum Emus so sehr schnell Laufen können, aber niemals fliegen.
Allein wanderte der Emu eine lange Zeit durch das Land. Allmählich gewöhnte er sich an die neue Situation und baute sich auf der Erde erneut ein Haus, gründete eine große Familie.
Ein Tag ging er durch den Busch, als ihn der Brolga, der auch eine große Familie hatte, schon aus der Ferne sah. Sofort versteckte der Brolga alle seine Kücken im Unterholz. Ausgenommen eines. Mit dem näherte er sich freundlich dem Emu und sagte: „Was für ein langweiliges Leben muß das sein. Immer nur für so eine große Familie Futter zu besorgen. Du schaust schon richtig krank aus. Und ich bin mir sicher, dass du bald sterben wirst. Schau! Ich habe nur ein Küken. Befolge meinen Rat und töte deine Küken, bevor sie Dich töten “ Der dumme Emu hörte erneut auf die schmeichelnden und scheinbar fürsorglichen Worte des anderen Vogels und tötete alle seine Küken.
Darauf rief der Brolga mit leiser und herzlicher Stimme, „Geralka Beralka, Geralka Beralka“, und alle seine flaumigen kleinen Küken kamen wieder aus dem Unterholz, spielten, liefen auch zu den Büschen, in denen sie versteckt waren.
Da wurde der Emu vor Trauer und Leid sehr wütend. Zumal er erkannte, was er getan hatte. Und noch einmal mußte er den Preis für seine Eitelkeit und des Hörens auf die sinnlosen Schmeicheleien zahlen. Sein Herz war traurig und er war einsam. Der Brolga rief, nach diesem grausamen Spiel mit dem Emu, in ziemlicher Überheblichkeit immer intensiver, immer und immer wieder seine Kücken. Doch bald überschlug sich seine Stimme und er brachte nur noch zwei raue, nicht übereinstimmende Töne heraus.
Die Jahreszeiten kamen und gingen. Und noch einmal legte der Emu eine große Anzahl Eier in sein Nest. Eines Tages besuchte der Brolga den Emu und täuschte wieder Freundlichkeit vor. Doch der Emu war beim Anblick des alten Feindes sofort ziemlich verärgert. Er stürzte sich gefährlich auf den Brolga. Doch dieser wich dem Ansturm aus. Sprang dabei auf das Nest und zerbrach sämtliche Eier. Bis auf eines. Nachdem sie für eine gewisse Zeit umeinander herumgetänzelt waren, stürmte der Brolga entschlossen vorwärts, nahm das letzte Emu Ei und warf es hoch in den Himmel. Und was dann geschah?
Ich habe es schon erzählt!
Man kann es in der Legende „Wie die Sonne entstand“ nachlesen.
Bild: Dr. Dietrich Häußer, www.aboriginalart.de
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