Die Aboriginal Schöpfung - Wie die Sonne die Welt ordnete Sonnenuntergang - Die Aboriginal Schöpfung - Wie die Sonne die Welt ordnete

Die Aboriginal Schöpfung - Wie die Sonne die Welt ordnete

Hoch über Tya, der schlafenden Erde, thronte Baiame, der mächtige Himmelsgott. Sein gewaltiger Leib aus glänzendem Kristall ruhte auf steinernen Säulen, und irgendwo in der Dunkelheit war Yhi, die Sonne, in einen tiefen Schlummer versunken.

Die Welt lag starr vor Kälte, über dem öden Land lastete eine lähmende Stille. Aus der nackten Erde ragten allein die kahlen Gerippe der Berge empor, in deren zerklüfteten Höhlen die künftigen Lebewesen ihrer Vollendung entgegendämmerten.

Endlose Zeit verging, da tönte die Stimme des Allvaters durch den Raum: „Steig hinab und rufe die Geschöpfe ins Leben nach meinem Willen. Erwecke zuerst die Gräser, Pflanzen und Bäume, dann bringe die Insekten, Fische, Reptilien, die Schlangen, Vögel und alles vierbeinige Getier hervor!"
Yhi erwachte. Ihr Atem ließ die erfrorene Luft erzittern, aus ihren leuchtenden Augen brach ein heller Lichtstrahl hervor, der die junge Göttin mit gleißendem Feuer umhüllte. Langsam stieg sie zur Erde hinab, da wo sich die große Nullarbor Ebene im Süden erstreckt.

Von hier reiste Yhi in alle Richtungen des Windes, doch immer wieder führte der Weg zum selben Ausgangspunkt zurück. Die Dunkelheit wich ihrem Glanz, aus ihren Fußstapfen sprossen die Kräuter und Pflanzen, bis schließlich die ganze Welt in neuem Wachstum erblühte. Müde mußte die Sonnenmutter eine Weile rasten. Die Vielfalt ihrer Geschöpfe aber, die zartesten Gräser und die mächtigsten Bäume lebten in Frieden miteinander.
Abermals erhob sich die Stimme Baiames: "Nun setze das Werk fort und erleuchte das dunkle Innere Tyas."
Yhi durchwanderte die kalten unterirdischen Räume, die sie mit ihrem wärmenden Licht erfüllte. Bald schon krochen aus Höhlen und Spalten die unübersehbaren Scharen der Insekten hervor, schillernd in den verschiedensten Farben, von mannigfaltiger Größe und Gestalt. Nach allen Seiten schwärmten die Lebewesen und überzogen das grünende Gewand Tyas mit ihrem bunten Gewimmel.

Die Sonnenmutter bestieg den Gipfel des höchsten Berges, um sich an der Schöpfung Baiames zu erfreuen. Von dort trug sie ein brausender Wind in die entferntesten Gegenden der Erde, bis sie wieder auf die steinige Nullarbor Ebene zurückkehrte. Hier ruhte Yhi eine Zeitlang, ihr helles Feuer aber strahlte ohne Unterlass, denn damals kannte die Welt noch keine Nacht.

Viele Male befolgte die Sonne die Weisungen des Himmelsgottes. Vor ihrer Wärme schmolz das Eis der Höhlen, und aus dem Schoß der Erde ergoss sich ein unaufhörlicher Lebensstrom ans Tageslicht. Schlangen und Echsen krochen auf ihren blanken Bäuchen, bunt gefiederte Vögel flatterten durch die Lüfte, und muntere Vierbeiner bevölkerten den Busch. Auch klares Wasser sprudelte aus der Tiefe hervor, bewohnt von glitzernden, zappelnden Fischen.

Voller Freude betrachtete die junge Göttin ihr Werk. Ein letztes Mal trug sie der Sturmwind im sausenden Flug davon, dann zog sie nach Westen und verschwand aus den Augen der Welt.

Eine große Dunkelheit brach über die Erde herein. Ängstlich drängten sich die Geschöpfe zusammen, doch bald schon leuchtete im Osten wieder das strahlende Antlitz der Sonnenmutter.

Oft noch wiederholte sich dieser Vorgang, bis alle Lebewesen an den Wechsel von Tag und Nacht gewöhnt waren. Bei Tageslicht gingen sie ihren Beschäftigungen nach, des Nachts aber schliefen sie in Erdlöchern oder im Schutz der dichten Bäume. Selbst die bunten Blumen verschlossen im Dunkeln die Kelche, allein die Akazien hielten die ganze Nacht ihre zarten Blütenblätter geöffnet, weil sie fürchteten, in der Finsternis ihre Schönheit zu verlieren. Mit Tagesanbruch verkündete das fröhliche Gezwitscher der Vögel die nahende Sonne, und in der frühen Morgendämmerung stiegen die Tautropfen zum Himmel empor, um Yhi zu begrüßen.

Lange Zeit verging, die Tiere und Pflanzen verbreiteten sich über die Welt, da wurden die Geschöpfe unzufrieden mit ihrer Gestalt. Die Vierbeiner waren traurig, weil sie nicht fliegen konnten, die Fische wollten nicht mehr im Wasser leben, weil sie das warme Sonnenlicht vermissten, ja selbst die kleinsten Insekten begannen zu murren. Ringsumher wuchs die Verdrossenheit, und niemand hatte mehr Freude am Leben.
"Aus formlosen Wesen habe ich euch ins Leben gerufen", sprach Yhi. "Nun da ihr unzufrieden seid, so wählt selbst eure Gestalt."

Die Kängurus, Kragenechsen, Fledermäuse und Fliegenden Füchse, die lang schnäbeligen Pelikane, die schwerfälligen Beutelbären und quakenden Frösche, sie alle und noch viele andere mehr wünschten sich damals die Eigenschaften, die sie auch heute noch besitzen.

Die Fledermäuse wollten lieber Vögel sein, deshalb können sie fliegen, obgleich bei ihnen keine Federn wachsen. Der Seehund, der des trockenen Landes überdrüssig war, zog es vor, im Wasser zu wohnen. Die Eule erbat sich große leuchtende Augen, um im Dunkeln zu sehen. Dafür ist sie nun tagsüber fast blind und haust in hohlen Baumstämmen, weil sie das helle Sonnenlicht schmerzt. Der Koalabär schämte sich wegen seines langen struppigen Schwanzes, um den ihn die anderen beneideten, also blieb ihm nur noch ein jämmerlicher Stummel übrig. Seitdem ist er in Gesellschaft des Dingos immer etwas verlegen, wenn dieser zur Begrüßung mit seinem prächtigen Schweif wedelt. Sogar die winzigen Insekten brachten ihre seltsamen Wünsche vor, deshalb sehen manche von ihnen aus wie Rindenspäne, dürre Zweige oder trockene Grashalme.

„Ich will euch treue Wächter senden, die mein Kommen verkünden und in der Dunkelheit wachen“, versprach die gütige Sonnengöttin, ehe sie Abschied nahm.

Als die Tiere in der Frühe erwachten, glänzte im Osten der helle Morgenstern. Kaum aber war Yhi am Abend wie ein Feuerball hinter dem westlichen Horizont versunken, kaum hatte die Nacht ihren dunklen Schleier über die Erde geworfen, da beschritt der leuchtende Mond seine Himmelsbahn und tauchte alles in sein silbriges Licht.
So ordnete die Sonne die Dinge der Welt nach Baiames Weisung.

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